Teufelsbrut by Bettina Gundermann

Teufelsbrut by Bettina Gundermann

Autor:Bettina Gundermann
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2010-09-23T17:46:09.765000+00:00


Voller Vorfreude spült der Wirt schnell noch ein paar Gläser. Gleich geht’s zur Versammlung. Wir werden schon eine Lösung finden. Es gibt immer eine Lösung. Und ich sehe Helena, denkt er. Anschließend gehe ich ihr nach. Anschließend besorg ich es ihr die ganze Nacht. Doch erst die Pflicht: Die Frau muss weg. Zadok muss gerettet werden. Er bringt uns noch alle in Teufels Küche. Zadok weiß ja gar nicht, was er tut. Er redet zu viel. Hatte sich doch so gut gemacht. Und jetzt das. Wird schon eine Lösung geben. Und dann das Vergnügen.

Der Pfarrer wird später erklären, dass es lange dauert, bis ein Mensch den richtigen Weg nicht mehr verlässt. Es ist gut, wird er sagen, zumindest schon einmal kurz auf dem rechten Weg gewandelt zu sein. Seid milde mit Zadok, wird er sagen. Und insgeheim: Er hat uns alle in der Hand. Und bei diesem Gedanken, den er niemals aussprechen darf, weil ihm alle Macht entgleiten würde, bei diesem Gedanken wird er leicht erschauern und gegen seine Tränen ankämpfen müssen. Um stark zu bleiben, wird er dann ein Gebet befehlen.

Doch noch steht er klein und mager vor seinem großen Spiegel, darüber hängt Jesus am Kreuz und sieht müde herab. Der Pfarrer räuspert sich. »Meine Lieben. Ich bin froh, dass ihr so schnell auf meine Einladung reagiert habt. Wie ihr, bin auch ich erschüttert, dass diese Versammlung ohne Zadok stattfinden muss. Und ich sage euch …« An dieser Stelle unterbricht er seine Probe. Noch einmal. Die Arme hoch, die Hände empor, Größe vorgaukeln: »Und ich sage euch«, wiederholt er nun mit fester Stimme, »fürchtet euch nicht. Diese Frau ist keine Gefahr. Zadok ist nicht dumm.«

Doch er hat uns alle in der Hand – wieder dieser Gedanke. Dieser ermattende Gedanke, der macht, dass die Arme nach unten fallen. Der macht, dass der Pfarrer sich wie ein Wurm fühlt. Wie ein kleiner, nichtsnutziger Wurm. »Er hat uns alle in der Hand«, flüstert er und eine kaltnasse Angst krabbelt wie ein schnelles Insekt sein Rückgrat hoch.

Alle machen sich bereit. Als würden sie aus Gräbern steigen, verlassen sie ihre sicheren Häuser. Auf den wenigen Straßen, im dunklen Regen, sieht man sie ziehen. Aus allen Richtungen kommen sie und strömen zum Gotteshaus. Große, schwarze Vögel mit nach vorn gestreckten Köpfen und schmalem Blick für sich. Jeder Einzelne. Nichts als den Blick für sich. Und Jesus lächelt mild.

Aber fliegen können sie nicht!, kreischen die drei Krähen, die über dem Dorf ihre Kreise ziehen.



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